Die madagassische Küche, lokal auch nahandro malagasy oder loky gasy genannt, zeichnet sich durch ihre Vielfalt, ihren Reichtum und den Einfluss zahlreicher Kulturen aus. Sie spiegelt sowohl die bewegte Geschichte Madagaskars als auch die vielfältigen Herkunftslinien seiner Bevölkerung wider. Ob man unterwegs schnell etwas isst, auf lokalen Märkten, in einem hotely (kleines, beliebtes Restaurant) oder in einem klassischeren Restaurant – die Gerichte variieren je nach Region, ob Hochland oder Küstengebiet. Diese große Insel bietet ein erstaunlich abwechslungsreiches, manchmal überraschendes, aber oft köstliches Geschmackserlebnis. Ohne Übertreibung kann man sagen, dass man in Madagaskar gut und sogar sehr gut isst.
Die madagassische Gastronomie ist das Ergebnis einer Verschmelzung lokaler Traditionen und äußerer Einflüsse: afrikanische, asiatische (insbesondere indonesische und chinesische), arabische, indische und europäische (vor allem französische) Einflüsse. Die ersten Austronesier brachten den Reisanbau mit, die Araber ihre Gewürze, die Inder den Curry, die Chinesen Gerichte wie gebratenen Reis (riz cantonais), und die Franzosen unter anderem Vanille, Kakao, Kaffee sowie kulinarische Techniken.
Im Alltag ist Reis (vary) das unverzichtbare Grundnahrungsmittel. Er wird bei jeder Mahlzeit, oft dreimal täglich, verzehrt und je nach Bedarf und Situation auf verschiedene Arten zubereitet:
Reissorte | Beschreibung |
Vary maina | Trockener Reis, am häufigsten zum Mittag- oder Abendessen |
Vary sosoa | Reisbrei, oft zum Frühstück oder für Kranke serviert |
Vary amin’anana | Reis mit Gemüse oder grünen Blättern und manchmal Fleisch |
Vary be menaka | Fettreicher Reis, zubereitet für Zeremonien oder üppige Mahlzeiten |
Bei Engpässen kann Reis durch Maniok, grüne Banane, Mais oder Süßkartoffeln ersetzt werden, je nach verfügbaren Ressourcen.
Reis wird immer mit einem laoka serviert, einem Beilagengericht. Das kann Fleisch (Zebu, Schwein, Huhn), Fisch, Meeresfrüchte, Gemüse, Blätter (brèdes) oder Hülsenfrüchte sein. Die Saucen variieren je nach Region: Tomatensoße im Hochland, Kokosmilch an der Küste und manchmal Zebumilch im Südwesten.
Hier einige typische Gerichte der madagassischen Küche:
Gericht | Beschreibung |
Ravitoto | Zerstoßene Maniokblätter, geschmort mit Schwein oder Zebu, manchmal mit Kokosmilch |
Romazava | Brühe oder Eintopf aus Zebufleisch und Blättern, mit Tomaten und Ingwer |
Hen’omby ritra | Langsam geschmortes Rindfleisch mit Tomatensoße, Zwiebeln und Ingwer |
Masikita | Gegrillte Zebuspieße, oft als Street Food verkauft |
Mofo gasy | Reismehl-Teigbällchen, typisch zum Frühstück oder auf Märkten |
Zebufuß-Brühe | Nahrhafte Suppe, oft morgens oder auf der Straße gegessen |
Lasary | Eingelegtes Gemüse (Karotten, Kohl, Mango…) in Essig oder scharfem Öl |
Jede Region hat ihre kulinarischen Besonderheiten. Im Hochland sind die Gerichte robuster mit Zebu, Schwein und Hülsenfrüchten wie tsaramaso (Bohnen) oder voanjobory (Kap-Bohnen). An der Küste stehen Meeresprodukte im Vordergrund, oft mit Kokosmilch zubereitet. Im trockeneren Süden und Westen werden mehr Maniok, Süßkartoffeln und Mais gegessen.
Die Madagassen verwenden viel Knoblauch, Zwiebeln, Ingwer, Tomaten, Kurkuma, Pfeffer, Muskatnuss und Nelken. Die Gerichte sind von Natur aus nicht sehr scharf, aber sakay (frische oder als Sauce zubereitete Chilischoten) wird fast immer separat angeboten, sodass jeder nach Geschmack würzen kann. Die lasary verleihen den Gerichten oft eine säuerlich-würzige Note.
Die Straßenküche ist ein wichtiger Bestandteil der madagassischen Esskultur. Dort findet man mofo gasy, menakely, Suppen, Spieße, gekochte Eier, frittierte Bananen oder komplette Mahlzeiten zum Mitnehmen. Zu den beliebten Getränken zählen lokaler Kaffee (oft gesüßt und sehr heiß serviert), Tee, das lokale Bier THB (Three Horses Beer), frucht- oder gewürzbasierte Rum-Mischungen (rhum arrangé) sowie ranon’ampango, ein traditionelles Getränk, das aus heißem Wasser besteht, das über gerösteten Reis gegossen wird, der am Topfboden klebt.