Famadihana, oft als „Umdrehung der Toten“ bezeichnet, ist eine traditionelle malagassische Bestattungszeremonie, die hauptsächlich in den zentralen Hochländern, besonders in Imerina, sowie in einigen Betsileo-Regionen praktiziert wird. Dieses Fest besteht darin, die Überreste der Vorfahren aus ihren Familiengräbern auszugraben, sie in neue Stoffe, sogenannte Lamba, einzuwickeln und die Körper im Tanz unter Musikbegleitung um das Grab herumzutragen, bevor sie wieder bestattet werden.
Ursprung und tiefere Bedeutung
Diese Tradition geht wahrscheinlich auf das 17. oder 18. Jahrhundert zurück, obwohl sie auf älteren Bestattungstraditionen beruht. Nach der malagassischen Kultur tritt der Geist der Verstorbenen erst endgültig in die Welt der Ahnen ein, nachdem der Körper vollständig verwest ist und die Rituale abgeschlossen sind – was mehrere Jahre dauern kann. Famadihana ist auch ein Moment des familiären Zusammenkommens, der Versöhnung und der Feier des Andenkens an die Ahnen.
Ablauf der Zeremonie
Die Zeremonie findet gewöhnlich alle fünf bis sieben Jahre oder nach einem Traum (wenn der Verstorbene dem Lebenden zeigt, dass ihm kalt ist) oder einem wichtigen familiären Ereignis statt. Sie dauert zwei Tage :
- Am ersten Tag bereitet die Familie ein großes Mahl vor, opfert Zebus und beginnt die Feierlichkeiten.
- Am zweiten Tag ziehen die Familienmitglieder nach dem Essen oft in einer Prozession mit Musik und Tanz zum Grab. Sie exhumieren die Überreste, wickeln sie in neue Stoffe ein und tragen die Körper tanzend um das Grab, bevor sie sie wieder zurücklegen.
Varianten des Famadihana
Je nach Region und Umständen gibt es verschiedene Formen :
- Das übliche Famadihana, bei dem die Ahnen einfach in neue Stoffe eingehüllt werden.
- Die Überführung der Überreste von einem temporären Begräbnisort zum Familiengrab.
- Die Rückführung der Toten, die weit weg vom Herkunftsort bestattet wurden.
Soziale und kulturelle Bedeutung
Famadihana spielt eine zentrale Rolle im sozialen Leben Madagaskars. Es stärkt familiäre Bindungen, bewahrt die Erinnerung an die Ahnen und feiert das Leben. Allerdings kann diese Tradition mit erheblichen Kosten verbunden sein, besonders für Familien, die aufwändige Feste ausrichten möchten.
Heute erlebt Famadihana einen gewissen Rückgang, bedingt durch die hohen Kosten, den Einfluss christlicher Religionen und die teils als veraltet empfundene Tradition. Zudem wurde die Exhumierung in bestimmten Fällen verboten, etwa bei Pestopfern, wegen gesundheitlicher Risiken.